Der verheilte Knochen
Vor einigen Jahren wurde die Anthropologin Margaret Mead während eines Vortrags gefragt, welcher Gegenstand als erstes Zeichen unserer Zivilisation gewertet werden kann. Der Student erwartete vermutlich, dass die Professorin einen Tontopf erwähnt, eine Speerspitze oder sonst eine technische Errungenschaft. Doch Mead überlegte einen Augenblick und sagte dann: «Ein verheilter Knochen.»
Ihr Argument: Wenn sich ein Tier in der Natur einen Knochen bricht, sind seine Überlebenschancen gleich null. Es dauert Wochen, bis ein Bruch verheilt. In dieser Zeit kann das Tier weder jagen noch zu einer Wasserquelle laufen. Es verhungert, verdurstet oder fällt einem anderen Tief zum Opfer.
Mead sagte: Knochenfunde beweisen, dass ein Mensch schon vor Jahrtausenden mit einem gebrochenen Oberschenkelknochen überlebt hat. Das bedeutet: Es hat sich jemand um ihn gekümmert, brachte ihm zu essen und zu trinken, blieb bei ihm und gab ihm so die Möglichkeit, in Ruhe gesund zu werden.
Da erinnere ich mich doch gleich an die sogenannte «goldene Regel», die Jesus vor über 2000 Jahren aufgestellt hat: «Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen.» Zivilisation ist, wenn es nicht nur mich und meine Bedürfnisse gibt.
Take good care!
Pfr. Harry Ratheiser