Alles gleichgültig?

Keine Generation vor uns hatte so viele Möglichkeiten, konnte das Leben so sehr nach den eigenen Bedürfnissen gestalten wie wir. Ich muss nicht mehr den Beruf meines Vaters erlernen. Ich muss nicht mehr zuerst die Erwartungen anderer erfüllen («man sollte …», «was denken die anderen» usw.). Noch nie war so viel Individualität möglich. Das ist schlicht genial.

Das Problem dabei: Die vielen Möglichkeiten können überfordern. Individualität schmeckt schnell nach Beliebigkeit. Was aber beliebig ist, ist oft auch unbefriedigend. Weil nicht mehr klar ist, was denn eigentlich gilt, woran ich mich orientieren kann.

Nun klar, «was gilt» ist ausser Mode. Jede*r will selbst bestimmen, was für ihn resp. für sie gilt. Das ist auch gut. Aber schon grinst sie uns wieder an, die Beliebigkeit. Mit ihr ist rasch alles gleich gültig – und damit auch schnell gleichgültig.

Vielleicht ist es ja doch nicht so schlecht, wenn etwas gilt, wenn es Orientierungshilfen gibt, Massstäbe. Und sei es nur darum, dass ich mich an ihnen abarbeiten und lernen kann, mich zu positionieren. Zumindest ist dann nicht mehr alles gleichgültig.

Take good care!
Pfr. Harry Ratheiser

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