Reformiert oder so

Wenn ich die Texte des viel zu jung verstorbenen Lorenz Marti lese, denke ich: Spannender Typ! In seinem Buch «Übrigens, das Leben ist schön» schreibt er (S. 118):

«Bist du reformiert?, fragte mich eines Tages ein Strassenarbeiter, der damit beschäftigt war, die Randsteine am Weg zur Kirche auszubessern. Ich war ein kleiner Knirps und hatte keine Ahnung, was das sein soll. Beim Mittagessen fragte ich meine Eltern, und seither weiss ich, dass ich reformiert bin. … Wenn ich aber im Duden nachschlage, was ‘reformiert’ eigentlich heisst, kommen mir leise Zweifel: ‘verbessert, geistig und sittlich erneuert, neugestaltet’. Nein, so reformiert bin ich dann doch nicht. Zwar gäbe es einiges zu reformieren an mir, nur will das nicht so recht gelingen.»

Ich weiss gut, wovon Marti spricht. Wichtiger aber ist: Bei uns im Thurgau heissen die Reformierten «evangelisch». Gar nicht schlecht! Denn das bezieht sich auf die geniale These, dass ich angenommen bin, auch wenn meine persönliche Reformation stockt. Angenommen von Gott – und von all denen, die mich mit meinen Schwächen nicht nur aushalten, sondern trotzdem sogar lieben.

«Die Reformierten als Gemeinschaft von Menschen, die sich nichts auf sich selbst einbilden – da bin ich dabei. Das hat nichts mit Konfession zu tun, aber viel mit der Erkenntnis der eigenen Grenzen.» (Marti, S. 119)

Take good care!
Pfr. Harry Ratheiser

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