Vom Himmelsgucker zum Hoffnungsträger Apostelgeschichte 1,3–11

„Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen … und meine Zeugen sein bis an das Ende der Erde.“

Die Jünger waren tief bewegt von allem, was hinter ihnen lag. Mehrere Jahre lang waren sie mit Jesus unterwegs gewesen, hatten Zeichen erlebt, Heilungen gesehen, Trost empfangen und hoffen gelernt. Sie hatten einen Blick auf Gottes Reich erhascht – spürbar, mitten unter ihnen.

Dann kam die Erschütterung: das Kreuz, das Grab, das Verstummen aller Träume. Und schliesslich: das Wunder. Der auferstandene Christus war ihnen begegnet, hatte sie gesammelt, ihnen Mut gemacht, sie wieder ins Leben geholt. Vierzig Tage lang war er noch bei ihnen gewesen, und ihnen gezeigt: Es ist wahr, das Leben hat gewonnen.

Und nun stehen sie da – mit ihm auf dem Ölberg, an einem Punkt des Übergangs. Sie stellen ihm noch eine letzte Frage, sehnsüchtig und menschlich: „Wirst du jetzt das Reich wieder aufrichten?“ Und Jesus antwortet nicht mit einem Datum. Er antwortet mit einer Verheissung: „Ihr werdet Kraft empfangen, und ihr werdet meine Zeugen sein – bis an das Ende der Erde.“

Keine Forderung. Sondern ein Versprechen. Nicht: Ihr müsst Zeugen sein, sondern: Ihr werdet es sein. Das ist das Entscheidende.

Wer dem lebendigen Gott begegnet ist, wer vom Geist berührt wurde, sei es auch nur in einem kleinen Moment – wird zu einer Zeugin, einem Zeugen. Ganz ohne Zwang. Einfach, weil Gottes Geschichte sich durch das eigene Leben hindurch weiterschreibt.

Die Jünger schauen in den Himmel, suchend, hoffend, vielleicht auch ein wenig ratlos. Doch die Engel lenken ihren Blick – und unseren – zurück auf die Erde. Dort beginnt unser Auftrag. Dort wartet das ewige Leben schon jetzt. Und mitten in diesem Leben wirkt Gottes Geist. Auch nach Pfingsten. Auch heute.

Nicht wir tragen die ganze Verantwortung für den Glauben dieser Welt. Wir sind nicht Gottes Pflichtverteidiger. Wir sind seine Zeugen. Und die Wahrheit, die wir weitergeben, ist stärker als unsere Zweifel, grösser als unsere Worte – sie lebt, weil er lebt.

Wer diese Kraft in sich spürt, der darf wissen: Jeder geteilte Bibelvers, jedes versöhnliche Wort, jedes stille Gebet inmitten eines vollen Alltags ist ein Teil des Zeugnisses, das Hoffnung säen kann. Und selbst, wenn wir die Frucht nicht sofort sehen – sie wächst. Getragen vom Geist, nicht aus eigener Kraft.

So wie einst am Ölberg beginnt auch für uns der Blickwechsel: vom Himmel zurück ins Leben. Und mit jedem Schritt, den wir gehen, wächst in uns die Gewissheit: Christus wird wiederkommen – aber bis dahin sind wir schon jetzt füreinander da und machen das kommende Leben sichtbar.

Seid behütet und gesegnet
Euer Pfarrer Michael Röll

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