Rebbergkommission: Im Gespräch mit Ruedi Daepp
Interview/Fotos: Miriam Augustine
Bild: Ruedi Daepp, Präsident der Rebbergkommission
Herr Daepp, wie ist die Idee entstanden, in der Kirchgemeinde Arbon einen Rebberg anzulegen? Was hat Sie dazu inspiriert?
Die Idee entstand an einem Workshop der evangelischen Kirche zum Thema, wie man die Kirche heutzutage attraktiver für unterschiedliche Zielgruppen gestalten kann. Modellcharakter für unseren Rebberg hatte dabei die katholische Kirche in Bussnang, welche bereits einen Rebberg hatte. Dank des Rebbergs ist Bussnang offiziell eine Rebbaugemeinde. Mit dieser Idee sind wir an die Kirchenvorsteherschaft herangetreten, und sofort hat sich eine engagierte Gruppe Interessierter gebildet.
Welche ersten Schritte waren notwendig, um das Projekt zu starten, und welche Herausforderungen gab es am Anfang?
Zuerst mussten wir am Rebhang Bodenproben entnehmen, um abzuschätzen, ob die Parzelle geeignet ist, Reben zu pflanzen. Anschliessend haben wir den kantonalen Rebbaukommissär Hansueli Pfenninger eingeladen, um anhand der Bodenproben und der Exposition zu prüfen, ob an dieser Lage ein Rebberg von zwölf Aaren ins Rebkataster aufgenommen werden kann. Ziel war es zudem AOC-zertifiziert (Appellation d’Origine Contrôlée – Schutzsiegel für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse) anzubauen und eine höhere Stufe Wein zu produzieren. Eine lustige Anekdote: Vor rund 100 Jahren schenkte die Firma Saurer der Gemeinde das Land, auf dem sich heute der Rebberg befindet – unter der einzigen Bedingung, dass dem damaligen Eigentümer der benachbarten Villa, in der der Sinai- und Afrikaforscher Alfred Kaiser nach seiner Rückkehr aus Ägypten lebte, die Sicht auf den Säntis stets erhalten bleibt. Weil es nun in der Grünzone ist, darf das Land für Reben genutzt werden.
Die Rebbergkommission besteht aus sieben Männern, überwiegend aus der Kirchgemeinde. Welche Rolle spielt die Gemeinschaft bei diesem Projekt?
Zufälligerweise sind wir sieben Männer. Freiwillige, die im Rebberg mitarbeiten möchten, sind natürlich herzlich willkommen. Die Gemeinschaft ist uns sehr wichtig. Sie verbindet uns: So treffen wir uns etwa am Samstagmorgen von 9 bis 12 Uhr. Zuerst verrichten wir die anstehenden Arbeiten, wie z.B. ein Drahtgerüst erstellen, Jäten, Rebtriebe aufbinden, Schneiden usw. Um 9.45 Uhr gibt’s dann ein leckeres Eingeklemmtes und Getränke. Uns Männern wird oft die Flucht vor dem Staubsauger daheim nachgesagt, meint Ruedi Daepp augenzwinkernd. Aber Spass beiseite: Gerade im Erwerbsalter, kurz vor der Pension, bedeutet uns so ein Engagement sehr viel. Ein Projekt zu haben, an dem wir Freude haben, das wir in der Natur wachsen und gedeihen sehen, das uns zusammenschweisst, macht uns glücklich. Kurzum: Es gibt uns eine sinnvolle Beschäftigung, Geselligkeit und ein schönes Schaffen in der wärmenden Morgensonne – besonders dann, wenn die Knospen spriessen.
Welche Rebsorten haben Sie gewählt, und aus welchem Grund? Gibt es eine besondere Vision für den Wein, der hier entstehen soll?
Wir haben uns für einen PIWI Wein entschieden (pilzwiderstandsfähig). PIWI Weine sind attraktive und nachhaltig produzierte Weine aus Rebsorten mit Resistenzeigenschaften und steht für neu, innovativ, robust und ansprechend. PIWI Rebsorten weisen eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Pilzkrankheiten auf und ermöglichen eine deutliche Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Als Sorte wählten wir nach einer Blinddegustation beim Weinkelterer Benno Forster die Divico-Sorte. Wir haben 13 Weinsorten degustiert und fanden den Divico ideal. Divico ermöglicht einen reduzierten Pflanzenschutzmitteleinsatz und somit einen ökologischeren Weinbau. Diese Rebsorte ergibt hochstehende Weine mit Gamaret-ähnlicher Qualität. Vielleicht werden wir auch Traubensaft produzieren oder Verjus, eine edle Essig- und Zitronen-Alternative. Verjus wird aus unreifen oder halbreifen, nicht vergorenen Trauben gepresst und macht sich gut als feine Würze in leichten Salaten, feinen Suppen, Marinaden und süssen Vorspeisen. Allenfalls werden wir eines Tages auch einen Grappa produzieren.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Rebbergs? Gibt es Pläne für Veranstaltungen oder eine Einbindung der Gemeinde?
Wir hoffen, dass wir bekannter werden und sich uns weitere engagierte Freiwillige anschliessen oder sich mit Gönnerbeiträgen beteiligen. Es gibt 150 Rebstock-Patenschaften, die somit ausgeschöpft sind. Ich persönlich habe es mir angewöhnt, nach dem Kirchenbesuch stets einen Blick auf den Rebhang zu werden; er ist mir ans Herz gewachsen. Als Partner konnten wir den Wiehnachter Winzer und Önologen Jens Junkert gewinnen. Er wird die Trauben in seinem Betrieb keltern – voraussichtlich erstmals im Jahr 2027. Wir planen, den Wein bei kirchlichen Anlässen auszuschenken und beispielsweise mit einem Grillfest zu verbinden.
